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Erinnerungen eines Ehemaligen

In diesem Jahr begeht der Reiterverein Preetz sein 75jähriges Bestehen. Nicht besonders herausragend, was die Zeitspanne anbetrifft, aber diese Zeit umfasst alle Höhen und Tiefen, die unser Land in diesem ¾ Jahrhundert durchlief. Gegründet in der Notzeit der Inflation 1923 erlebte der Verein dann die Zeit des Dritten Reiches, den Krieg, das Elend der Nachkriegszeit, den Aufstieg aus den Trümmern, den Kalten Krieg und schließlich die Wiedervereinigung. Nun, an der Schwelle zum nächsten Jahrtausend, ist der Verein lebensfähig und aktiv, wie er es die ganze Zeit über war.

Meine Zeit als Schriftführer des Vereins fiel in die Zeit des 50jährigen Bestehens, als das totgeglaubte Pferd eine ungeahnte Renaissance erlebte. Die rasante Mechanisierung nach dem letzten Krieg schien die Todesstunde für Kamerad Pferd einzuläuten. Der Bestand in Deutschland betrug nur noch 1/3 der Vorkriegszahlen; der Mensch war wieder einmal dabei, etwas über Bord zu schaufeln, was angeblich ausgedient hatte. Über den Reitsport, vor allem in den Kreisen der Jugend, kam das Pferd jedoch zurück und auch der Reiterverein Preetz blühte wieder auf. Die Jugendarbeit trug reiche Früchte. Es gab Aktivitäten auf allen Gebieten und auf den Turnieren Schleswig-Holsteins traf man sich mit vielen Akteuren aus anderen Vereinen, in denen die gleiche Passion neu erwacht war.

Unter dem 1. Vorsitz von Ernst Först, Gläserkoppel, erlebte der Verein seine erfolgreichsten Jahre nach dem Neubeginn. Ich denke an die auf Gläserkoppel geförderten Voltigiergruppen, die vielen Reitabteilungen, die auf Großpferden und auf Ponies ausgebildet wurden, die Abteilungen der Wanderreiter, die erfolgreichen Jugendspringabteilungen und nicht zuletzt an die über die Landesgrenzen hinaus bekannten Pony-Springquadrillen. Es würde Seiten füllen, alle vielfältigen Aktivitäten und Ereignisse aufzuführen.

Stattdessen eine der herausragenden Begebenheiten aus meiner Zeit:

Wir erhielten eine Einladung zur Equitana in Essen, um dort im Rahmen der großen Pferdesportmesse für eine Woche die täglichen Schaunummern mit unserer 16er Jugenddressurquadrille zu bereichern. Schon seit längerem von Ernst Först ausgebildet und rundum so ein bisschen bekannt, mussten wird nun erst die Segnung des Landesverbandes erwerben. Schließlich wollte man sich nicht selbst und Holstein schon gar nicht blamieren. Was danach einsetzte war rational gar nicht mehr zu fassen. Es wurde gebimst, dass die Akteure, alle so im Alter zwischen 13 und 17, manchmal nicht mehr wussten, ob sie noch Mensch oder schon Pferd waren. In der Halle am Ruschradenredder wurde trainiert, auf Gläserkoppel, bei Kowalewski, auf dem Kloster; es wurde gefahren, gepackt, ein- und ausgeladen, organisiert, an- und abgeblasen, und so ging es den ganzen Herbst hindurch. Schließlich landete der ganze Beritt im Winter noch bei Herrn Maracke in Pohlsee, der Stallungen und Halle zur Verfügung stellte, damit die 16 Vierbeiner nicht pausenlos zu transportieren waren. Dann war schließlich alles so weit gediehen, dass die Generalprobe stattfinden konnte. Schmuck herausgeputzt die Pferde, selber in besten Wichs, präsentieren sich die Akteure zu den schmissigen Weisen von James Last (allerdings nur Tonband) den kritischen Blicken der Kommission. Die Generalprobe war ein voller Erfolg und nun konnte es im Februar losgehen. Unterbringung der Pferde wurde vom Veranstalter gewährt, aber wohin mit den Zweibeinern? Nach einigem Hin und Her wurde uns das Ferien-Landheim der Evangelischen Jugend überlassen. Nun nahmen die Vorbereitungen einen breiten Raum ein, aber schließlich ging es los. Winfried Bohnhof verfrachtete alle 16 Pferde in seinem großen Lkw, diverse Begleitpersonen waren erforderlich, einmal zum alltäglichen Arbeitseinsatz, dann natürlich auch, um wachsames Auge zu sein. Schließlich waren die meisten Teilnehmer in einem Alter, in dem es einen bekanntlich umtreibt. Die folgende Woche war für die Quadrille ein voller Erfolgt; als einzige Schaugruppe hatten wir zwei Auftritte am Tag und der Beifall der vielen Besucher in der großen Halle tat uns gut. Die Zustände im Lager brachten allen viel Spaß, obwohl der Ablauf nur mit einer Art organisiertem Chaos zu bezeichnen war. Wenn man erlebt hat, was für eine Packerei 16 Pferde und 20 Menschen verursachen, fragt man sich ernstlich, wie es möglich war, dass in vergangenen Zeiten Reiterattacken mit 16.000 Pferden geritten werden konnten.

Nach einer Woche fern vom Rockschoß der Mutter landeten alle Reiter wieder gesund und munter in der Heimat.

Die damaligen Teilnehmer sind nun selbst Väter und Mütter, haben Familie, aber ganz sicher werden sie sich beim Lesen wieder an diese schöne und sorglose Zeit erinnern.

Wieviel Mühe, Arbeit und „Schweiß der Edlen“ hinter der simplen Aufzählung steht, kann wohl nur der Eingeweihte ermessen. Es war aber vor allem die Arbeit an und mit der Jugend, die stets Mittelpunkt aller Bemühungen der Vereinsführung stand und die den Verein bis heute erhalten hat. Oft gab es schwierige Zeiten, in denen der Verein alles aufzubieten hatte, die vielfältigen und nicht immer einhelligen Meinungen und Bestrebungen unter einem Hut zu halten. Jeder, der schon mal in der Vereinsarbeit tätig war, weiß davon ein Liedchen zu singen. Es gelang immer wieder, einen guten Weg aus mancher Sackgasse zu finden, weil letztlich die gleichen Interessen und die Passion für das Pferd stärker waren als andere Dinge. Ich denke an fruchtbare Zusammenarbeit mit Ernst und Joachim Först, Frau Sass, Herrn Scheferling, Paul Moeller, Friedrich Ritter, Paul Rokitta, Helmut Schinke, Hans und Helmut Horn, Frank Kowalewski und vielen anderen Reiterfreunden auch aus den benachbarten Vereinen. Hier in Kanada ist alles ganz anders. Ein Vereinsleben im gewohnten Sinne ist schon infolge der großen Entfernungen nicht möglich. Fast jeder auf dem Land hat ein paar Pferde und reitet, meist nur zum eigenen Vergnügen. Turniersport wird klein geschrieben. Auch unsere beiden Ältesten, die ja lange Jahre aktive Turniersportler waren, vermissen ab und an die Gemeinschaft mit Gleichgesinnten, die ihre Jugendjahre im Reiterverein Preetz geprägt haben. Auch diese Dinge sind ein Dank wert an die Frauen und Männer eines Vereins, deren Arbeit meist unbeachtet und selbstverständlich hingenommen wird. Denn ein Sportverein hat nicht nur eine sportliche, sondern auch eine soziale Funktion, die man erst schätzt, wenn sie verloren ging.

So wünschen wir dem Verein weiteres Gedeihen und allen Mitgliedern viel Reiterglück. Mögen sich immer wieder Menschen finden, die den Verein durch alle Fährnisse steuern.

Kurt Buschbek, Ontario, Kanada

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